Parodontitis
Die Parodontitis ist eine Entzündung des Zahnhalteapparates. Sie schreitet fast immer schmerzlos voran und führt unbehandelt über Zahnlockerungen zum Zahnverlust.
In Deutschland leiden 12 Millionen Menschen an einer Parodontitis. Während in jungen Lebensjahren 20% der Betroffenen schwere Verlaufsformen zeigen, verdoppelt sich der Anteil im Alter. Ab dem 30. Lebensjahr ist die Parodontitis (noch vor Karies) die häufigste Ursache für einen krankhaften Zahnverlust.
Symptome, die für eine Parodontalerkrankung sprechen, sind:
- Entzündungszeichen am Zahnfleisch (Gingivitiszeichen)
- weiches und schnell blutendes Zahnfleisch
- Rötungen, Schwellungen und Berührungsempfindlichkeit des Zahnfleisches
- In aktiven Entzündungsstadien außerdem
- Mundgeruch (Halitosis)
- schlechter, fauliger Geschmack im Mund
- Eiterbildung am Zahnfleisch
- Sekret- oder Eiterentleerung aus Zahnfleischtaschen
- bei fortgeschrittenem Verlauf
- für Wärme und Kälte empfindliche und schmerzhafte Zähne
- Druckempfindlichkeit der Zähne und Schmerzen beim Kauen
- Zahnfleischrückgang („die Zähne scheinen länger zu werden“)
- Knochenabbau
- Zahnlockerung, Zahnwanderung oder plötzliche Lückenbildung
- Änderungen beim Aufeinanderpassen der Zähne beim Zusammenbeißen
- Änderungen im Sitz von Teilprothesen
Je nach Schweregrad wird unterschieden zwischen:
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Gingivitis, einer reinen Zahnfleischentzündung ohne Knochenrückgang und Faserverlust (Vorstufe)
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chronischer Parodontitis durch langsamen Abbau von Gewebe
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aggressiver Parodontitis, einer schnell voranschreitenden Gewebezerstörung
Ursachen und Entstehung
In ihrer Entstehung lässt sich die Parodontitis (Entzündung am Zahnhalteapparat) nicht von der Gingivitis (Entzündung des Zahnfleisches) trennen. Die Auslöser der Entzündungen sind spezielle Bakterien (Parodontitis-Markerkeime), die sich in der Mundhöhle aufhalten und in den Zahnbelägen vermehren. Diese sogenannte bakterielle Plaque ist ein zäh anhaftender Biofilm. Aus diesem werden bakterielle Stoffwechsel- und Zerfallsprodukte freigesetzt, die Abwehrreaktionen des Körpers auslösen.
Das eigene Immunsystem versucht, die Bakterien zu beseitigen. Eine langandauernde Zahnfleischentzündung (Gingivitis) kann auf den Kieferknochen, die Wurzelhaut und den Zement übergreifen. Es kommt zur Bildung von Zahnfleischtaschen mit Zerstörung von Bindegewebsfasern und Kieferknochen, der manifesten Parodontitis. Hauptunterscheidungsmerkmal der Gingivitis von der Parodontitis sind vorhandene, röntgenologisch nachweisbare Veränderungen.
Die Entstehung der Parodontitis ist somit das Ergebnis aus den Wechselwirkungen zwischen krankmachenden Bakterien und der Abwehrreaktion des menschlichen Organismus. Obwohl die Anwesenheit bestimmter Bakterien und das Immunsystem die Hauptrolle bei der Entstehung einer Parodontitis spielen, gibt es einige Risikofaktoren, die die parodontale Gesundheit beeinflussen:
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schlechte oder falsche Mundhygiene mit Zahnbelag (Plaque) und Zahnstein
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unausgewogene Ernährung
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Tabakkonsum – Raucher haben verglichen mit Nichtrauchern ein vier- bis sechsfach erhöhtes Parodontitisrisiko.
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Diabetes mellitus (insbesondere bei schlechter Blutzuckereinstellung) – Dieser Aspekt ist schon seit längerem bekannt und in verschiedenen Studien belegt.
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Schwangerschaft – Durch Hormonumstellung lockert das Bindegewebe auf, das Zahnfleisch schwillt an und Bakterien können leichter in die Tiefe vordringen.
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offene Zahnkaries
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Zähneknirschen (zumeist stressbedingt, Bruxismus)
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genetische Veranlagung
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allgemeine Abwehrschwäche, insbesondere medikamentöse Immunsystemunterdrückung
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ungünstig lokalisierte Piercings im Mundraum (Lippe, Lippenbändchen, Zunge) oder Metallteile im Zuge einer kieferorthopädischen Behandlung.
Auswirkungen der Parodontitis auf Gesundheit und Allgemeinerkrankungen
Als chronische Entzündung in der Mundhöhle hat die Parodontitis einen Einfluss auf den Gesamtorganismus.
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Diabetes mellitus
Eine Infektion des Zahnhalteapparates kann, wie alle Infektionen, zu Schwierigkeiten bei der Kontrolle des Blutzuckerspiegels führen und damit die Einstellung der Blutzuckerwerte erschweren. Umgedreht erhöht sich bei schlecht eingestellten Blutzuckerwerten (HbA1c-Wert > 7) das Parodontitisrisiko, sowie das Risiko für einen weiteren Knochenabbau. Besonders gefährdet sind langjährige Diabetiker, denn die Schwere der Parodontitis kann mit der Dauer des Diabetes zunehmen.
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Herz- und Kreislaufsystem
Es wird ein erhöhtes Risiko für Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall beobachtet.
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Lungenerkrankungen
Eine verbesserte Oralhygiene und häufige professionelle Zahnreinigung vermindert respiratorische Erkrankungen wie Lungenentzündungen, besonders auch bei Hochrisikopatienten in Pflegeheimen und Intensivpflegeheimen (Risikoreduktion 34-83 %).
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Magenschleimhautentzündungen durch Helicobacter pylori
Durch Parodontalbehandlung und zahnärztliche Kontrollen lässt sich das Rezidivrisiko für eine erneute Helicobacter pylori-Infektion senken.
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Schwangerschaft
Eine Parodontalerkrankung geht mit einem erhöhten Risiko von Frühgeburten bzw. von Neugeborenen mit unterdurchschnittlichem Geburtsgewicht einher. Einige Studien belegen, dass das Risiko einer Frühgeburt oder eines untergewichtigen Neugeborenen bei Frauen mit einer Parodontitis fast achtmal so hoch ist wie bei Frauen mit gesunden Zähnen und Zahnfleisch.
Diagnostik
Diagnose und Schweregrad der Erkrankung werden aufgrund gründlicher Untersuchung in einem parodontalen Befund gestellt. Klinisch beurteilt man den Gesamtzustand des Gebisses, die Zahnlockerung, die Tiefe der Taschen, welche mittels Parodontalsonden festgestellt wird, den Zahnfleischrückgang und die Mundhygiene des Patienten. Außerdem kann durch Röntgenaufnahmen der Knochenverlauf festgestellt werden. In manchen Fällen kann ergänzend ein mikrobiologischer Nachweis bestimmter Parodontitis-Markerkeime oder eine Überweisung zum Allgemeinmediziner zum Ausschluss einer systemischen Erkrankung (Diabetes) sinnvoll sein.
Therapie
Das Ziel der Therapie besteht darin, den Entzündungszustand des Zahnfleischs und des Zahnhalteapparats zu beseitigen und entzündungsauslösende Faktoren wie Plaque, Zahnstein und die pathogene Bakterienflora zu beseitigen, um damit langfristig den Zahnerhalt zu sichern.
Die Behandlung der Parodontitis erfolgt mit Hilfe einer Stufentherapie und ist damit je nach Schweregrad individuell unterschiedlich:
1. Stufe
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der PA-Vorbehandlung
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2. Stufe
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nach deren Abschluss wird ein PA-Plan erstellt, danach folgt das Genehmigungsverfahren durch die Krankenkasse
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3. Stufe
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Therapie
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3.1. geschlossene Behandlung durch Scaling mit Säuberung und Glättung der Wurzeloberfläche
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3.2. offene Behandlung eher in seltenen Fällen
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4. Stufe
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Nachsorge und Recall
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Für die Behandlung gilt, je frühzeitiger die Parodontitis behandelt wird, desto besser ist die zu erwartende Prognose. Unter örtlicher Betäubung werden die Zahnfleischtaschen und Wurzeloberflächen schonend mit Ultraschall und grazilen Handinstrumenten gesäubert und geglättet. Begleitend werden desinfizierende Spülungen und Einlagen verwendet. Für die Behandlung im Spätstadium hat die Parodontitis eine schlechtere Prognose und eine schlechtere Vorhersagbarkeit des Behandlungsergebnisses. Zu den oben genannten Therapiemethoden können ergänzend chirurgische Maßnahmen notwendig werden, wie z.B. die Reinigung der Wurzeloberfläche unter Sicht. Eine medikamentöse Begleittherapie mittels Antibiotika nach Testung der krankmachenden Erreger durch Erregerabstrich und PA-Gentest können besonders bei aggressiver Form und PA-Rezidiv (Rückfall) sinnvoll sein.
Parodontitis-Nachsorge
Nach einer Parodontitisbehandlung ist eine lebenslange Erhaltungstherapie notwendig, um die Erkrankung erfolgversprechend unter Kontrolle zu bringen. Da sich Bereiche unter dem Zahnfleischrand nur schwer gut reinigen lassen, sollten diese mittels professioneller Zahnreinigung durch Zahnmedizinische Fachangestellte vierteljährlich bis halbjährlich gründlich gesäubert werden. Der krankmachende Biofilm muss entfernt werden, da es sonst zu einer weiteren Progression der Parodontitis kommt. Einen entscheidenden Beitrag zum Behandlungserfolg können Patienten durch gewissenhafte häusliche Mundpflege z.B. der Reinigung aller Zahnzwischenräume leisten.